How About a Glass of...Orange Wine?

Eine jahrtausendealte Form des Kelterns erfreut sich neuer Beliebtheit. Doch der so hergestellte "Orange Wine" sorgt auch für Streit. Während sich seine Fans auf der ökologisch richtigen Seite wähnen, wenden sich seine Verächter angewidert ab. Aber wer hat recht?
Recht habe keiner von beiden, sagt Dirk Würtz, Betriebsleiter des Weinguts Balthasar Ress in Hattenheim im Rheingau. Er war einer der ersten Winzer, der einen orangefarbenen Wein in Deutschland wiederherstellte.
Ein polarisierender Tropfen
Aber Würtz ärgert sich über die "verkopfte und ideologisch aufgeheizte Diskussion", die um den "Orange Wine" in den sozialen Medien geführt wird.
Der Tropfen habe neben Rot-, Rosé- und Weißweinen durchaus seine Daseinsberechtigung als etwas Besonders, tauge allerdings nicht dazu, die "Geschmacksdiktatur" wiedereinzuführen, die Würtz "zum Glück abgeschafft" sieht. Aber es sei eben ein Wein, der polarisiere.
"Orange Wine" heißt so, weil er im Glas in allen möglichen Orangetönen changiert. Die Farbe entsteht, wenn weiße Trauben "auf der Maische vergoren" werden, wie Kellermeister sagen. In der Maische sind die entrappten - also die vom Stielgerüst befreiten - Beeren samt Haut und Kernen.
Nicht jedermanns Sache
Auf diese Weise wird auch Rotwein gekeltert. Bei Weißwein dagegen wird nur der aus den Trauben gepresste Saft vergoren. Die Haut und die Kerne in der Maische geben dem "Orange Wine" nicht nur die Farbe, sondern mit ihren Gerbstoffen auch den charakteristischen Geruch und Geschmack. Es gibt Kritiker, die sagen, "Orange Wine" schmecke wie alte Gemüsesuppe oder faules Obst.
Würtz räumt ein, dass so ein orangefarbener Wein schon wie ein fauler Apfel riechen und schmecken könne. Das aber sage überhaupt nichts über seine Qualität aus. Über Geschmack lasse sich bekanntlich nicht streiten, auch der Riesling-Fan verabscheue womöglich den Geschmack und Geruch des Gewürztraminers oder des Sauvignon Blanc.
Verschwindend geringer Marktanteil
Und würde der Weinblogger Würtz so einen orangen Tropfen jetzt auch zum Spargel kredenzen? "Unbedingt", sagt er, "zu Spargel mit einer kräftigen Sauce Hollandaise passt er ganz prima". "Orange Wine" sei weniger zum Solotrinken auf dem Sofa zu Hause geeignet, weil er schon "anstrengend" im Geschmack sei. Aber er sei ein "hervorragender Essensbegleiter, vergleichbar mit Champagner, der ebenfalls zu allem passt".
Vor allem die Skandinavier hätten das längst entdeckt. "Orange Wine" ergänze ihre Küche, in der sie vor allem saisonale Gemüse, Fisch und wenig Fett verwenden. Diese pure Zubereitungsart ist inzwischen in ganz Europa en vogue. Und so rückt auch der "Orange Wine" vor allem ins Interesse der sich hip wähnenden Großstädter hierzulande. Auch in den USA, in New York und an der Westküste, werde er verstärkt nachgefragt. Dennoch schätzt Würtz den Anteil des "Orange Wine" am gesamten Weinmarkt in Deutschland auf unter ein Promille. Ein Bestseller ist er also nicht.
Maischegärung uralte Methode
Aber ein Produkt, über das man trefflich streiten kann. Die Maischegärung ist die älteste Form der Weinherstellung. Bereits vor 5.000 Jahren wurde in Georgien Wein gekeltert, in dem man Maische in Tonamphoren vergor, die in der Erde vergraben wurden. Es gibt Menschen, die die Back-to-the-Roots-Methode für etwas Besseres und Gesünderes halten als konventionell gekelterten Wein.
Darüber kann Würtz nur lachen. Denn er hat auch beobachtet, dass besonders eifrige Ideologen orangefarbenen Wein mit Naturwein, auch "Natural Wine" genannt, verwechseln. Auch der werde zwar häufig auf der Maische gekeltert, zeichne sich aber allein dadurch aus, "dass er völlig frei von Schwefel, Enzymen oder Hefe" sei, sagt der Weinblogger. Solche Additive, wie Önologen diese Stoffe nennen, könnten im "Orange Wine" durchaus vorhanden ein.
Was ein "Orange Wine" oder ein Naturwein ist, hat der Gesetzgeber bislang nicht definiert. Als Prädikatsweine nach dem deutschen Weinrecht werden sie nur höchst selten ausgezeichnet. Die meisten dieser Weine werden unter dem Label Landwein vermarktet. Und weil sie weder sorten- noch gebietstypisch schmecken, also untypisch sind, erhalten sie keine Anerkennung bei der amtlichen Qualitätsweinprüfung.